Ich träume deutsch . . . und wache türkisch auf. Eine Kindheit in zwei Welten by Nilgün Tasman

Ich träume deutsch . . . und wache türkisch auf. Eine Kindheit in zwei Welten by Nilgün Tasman

Autor:Nilgün Tasman [Tasman, Nilgün]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
Tags: Interkultur, Deutsche Gesellschaft, Sachbuch, Deutschland, Lebensgeschichte, Türkinnen, Ausländer, Auswanderer, Einwanderer, Biographie, Ausländer in Deutschland, Türken, Türken in Deutschland
Herausgeber: Verlag Herder GmbH
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Eine Frau hielt ein großes Tablett in der Hand, sie bückte sich hinunter zur Braut, mischte das Henna zusammen und sang dabei ein sehr trauriges Lied: „Bring das Henna, meine Mutter: Lass mich die letzte Nacht in deinen Armen schlafen, der Sohn des Fremden wird mich dir wegnehmen …“

Alle Frauen fingen an zu weinen. Man sah, wie die Braut zitterte, und plötzlich fiel die Brautmutter einfach um.

„Babaanne, ist die Brautmutter jetzt tot?“

„Hayır, Kızım, sie ist nur sehr traurig, dass sie ihr Herz hergeben muss. Sie hat ihr Kind jahrelang großgezogen, damit es ein Fremder jetzt mit Füßen tritt. Sie ist vor Schmerz umgefallen“, sagte Babaanne und wischte sich heimlich ein paar Tränen aus dem Gesicht.

„Warum heiratet die Braut denn, wenn sie weiß, dass dieser Mann sie treten wird?“, fragte Mine.

„Jetzt liebt er sie noch. Mal sehen, wie lange das gut geht“, sagte Babaanne und wiegte sich wieder hin und her.

Als die Braut Henna in ihre Hände bekam, streckten alle Frauen und Kinder die Hände aus und bekamen auch Henna in die Handinnenflächen.

„Ich will nicht“, sagte Mine und versteckte ihre Hände hinter dem Rücken.

„Natürlich willst du! Kina kommt aus Mekka, es ist heilig und bringt Glück“, sagte Babaanne und schmierte beide Hände von Ablam voll. Mine rannte gleich hinaus, um ihre Hände abzuwaschen.

Ich war ganz stolz auf mein Kina in der Hand. Ein bisschen fühlte ich mich wie die Braut.

Endlich nahm man der Braut den roten Schleier von ihrem Gesicht ab, und sie durfte tanzen. Sie sah wunderschön aus. Ihre Lippen und ihre Wangen waren rot geschminkt. Über der Stirn hatte sie ein rotes Band, das mit Goldtalern bestickt war. Immer wieder zupfte eine Frau an ihrem Şalvar und sagte der Braut, sie müsse weinen, sonst würde man denken, dass sie ihr Elternhaus gerne verlassen würde. Dann lachten alle Frauen und sahen sich gegenseitig an.

Die Frau von Mahmut Ağa verteilte den Kindern Mandelbonbons und geröstete Kichererbsen und wünschte allen Müttern, dass sie ihre Töchter eines Tages ehrenhaft einem Bräutigam übergeben könnten.

Wir durften ganz lange bleiben, aber irgendwann waren wir so müde, dass mich meine Babaanne wieder auf dem Rücken nach Hause tragen musste.

Die Braut hatte sich persönlich von uns verabschiedet. Sie gab mir sogar die Hand und sagte, dass sie sich freuen würde, wenn wir am nächsten Tag zu ihrer Hochzeit kommen könnten. Babaanne sagte nur: „Inşallah, Yavrum, Inşallah.“

Es war ein so schöner und aufregender Abend gewesen, aber auf die Hochzeit freute ich mich noch mehr! Am nächsten Tag wachten Ablam und ich ganz früh auf. Babaanne ging mit uns ins Hamam, und danach durften wir wieder unsere Deutschlandkleider anziehen. Babaanne war so stolz auf uns, dass sie uns zu Hüsnü Amca, dem Dorffotografen brachte.

„Dieses Foto schicken wir euren Eltern“ sagte Babaanne, „dann sehen sie, wie gut es euch hier geht!“

Die Hochzeit war wirklich noch schöner als der Hennaabend. Die Braut hatte ein wunderschönes weißes Kleid an. Sie trug sogar Handschuhe, wie eine Prinzessin. Ihre Haare waren hochgesteckt, und darauf war eine Krone befestigt, die mit Perlen bestickt war. Der Bräutigam hatte einen schwarzen Anzug an.



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